Guten Morgen, seltsame Nacht, wieder früh ins Bett und noch früher wach. Der Tag grau und noch Stille hier. Irgendwer schreit hier jetzt ständig herum, es sind nicht die Ätzenden, ich glaube da gibt es neue Mitbewohner im Haus. Heute voller Tag, viele Arbeitstermine und danach ein Klassikkonzert. Das wird knapp werden, weil ich den letzten Termin nicht verlegen oder absagen konnte, es bleibt nur die Hoffnung, dass der letzte Termin gar nicht auftaucht, was auch vorkommt. Gegessen Hühnerfrikassee, Schonkost für den Magen. Immerhin letzter Arbeitstag die Woche, das ist auch nötig, wenn ich mich in der Bude umschaue, gar nichts auf die Reihe gekriegt, wieder so eine untätige, fast depressive Grundstimmung. Gibt ja auch gerade nicht viel Positives, an dem ich mich hochziehen könnte. Arbeit doof, Beziehung doof, Wohnung doof, es bleibt wohl nur meine Vorratshaltung, als befriedigend zu bewerten. Manchmal kann ich es immer noch nicht fassen, dass ich eine erwachsene Frau mit eigener Wohnung bin, das kommt mir so unrealistisch vor, war ich nicht erst gestern Kind?
Dieses muskelbepackte Klugscheißer-Mädchen? Dass ich damals extra hart beim Ballett trainiert wurde, macht heute Sinn, nachdem sie mir den Rücken zerstört hatten. Sie wollten sicher gehen, dass ich eine Weile ohne Schmerzen bleibe. Hat auch ein paar Jahre gehalten, aber mit 20 gab es dann die ersten Bandscheibenvorfälle. Meine Mutter war wie immer damals mit sich selbst beschäftigt und fand es zu mühsam für mich und meine Rechte zu kämpfen, ein böser Fehler, der lebenslange Schmerzen für mich bedeutete. Keine Ahnung, warum meine Mutter dachte oder besser nicht dachte, dass einem Kind ein Zimmer bereitstellen und ab und zu essen geben reicht, um es groß zu kriegen. So viel Egoismus, so viel Selbstverliebtheit, ich weiß, warum ich bis heute auf Leute, die solche Allüren haben, ziemlich negativ reagiere. Sie zerstören Leben mit ihrem Verhalten, andere Leben. Eigentlich sollte man Narzissten die Reproduktion verbieten, dann bleibt ihnen genug Zeit, um sich um das Wichtigste in ihrem Leben zu kümmern, sich selbst.
Leider ist unsere ganze Gesellschaft heute tendenziell narzisstisch, ein Opfer, wer es nicht ist, das ist eine Welt, in die ich bis heute nicht passe und auch nicht passen möchte. So wurde ich Außenseiterin, weil ich lieber keine Gesellschaft habe als schlechte. Genug Weltschmerz für heute, es gibt jetzt Thymian hier und auch Petersilie und Chaos obendrauf, die freien Tage brauche ich dringend, um klar Schiff zu machen. Mal sehen, wie heute wird und meine Gespräche verlaufen, danach Beethoven, ein Ohrwurm meiner Kindheit dazu: